Peter Neuenheuser – Lebensgeschichte und Widerstand
Kindheit und Weg in den Priesterberuf
Peter Hubert Neuenheuser wurde am 19. April 1877 in Düsseldorf geboren und wuchs im Rheinland auf, vor allem in Opladen und Büttgen. Er gehörte zu einer Generation, in der Kirche, Schule und Alltag sehr eng miteinander verbunden waren. Für ihn war früh klar: Sein Weg würde über Bildung und Glauben führen.
Er besuchte Gymnasien im Rheinland und studierte anschließend Sprachen und Philologie an verschiedenen Universitäten, unter anderem in Freiburg im Üechtland, Paris, Marburg, Münster und Bonn. Danach widmete er sich der katholischen Theologie in Bonn und Köln. 1904 schloss er sein Studium mit einer Promotion in Bonn ab, 1906 wurde er im Kölner Dom zum Priester geweiht.
Schon diese frühen Jahre zeigen einen Menschen, der Denken, Glauben und Verantwortung ernst nimmt – und der sich bewusst in den Dienst von jungen Menschen stellt.
Direktor am Aloysianum in Opladen
Nach ersten Jahren als geistlicher Lehrer übernahm Peter Neuenheuser 1913 die Leitung des Collegium Aloysianum in Opladen, eines katholischen Gymnasiums mit Internat. Als Studiendirektor und Rektor prägte er dort das Leben und Lernen vieler Jugendlicher.
Für viele Schülerinnen und Schüler war er mehr als der „Chef der Schule“. Er war Priester, Pädagoge, Vorbild – mit einer Mischung aus Strenge, Klarheit und Fürsorge. Bildung war für ihn nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch Charakterbildung und Gewissensschulung.
Sein Einsatz blieb nicht unbeachtet: 1933 wurde er zum Monsignore ernannt. Nach außen war er eine anerkannte Figur in Kirche und Schule, im Inneren jemand, der wusste, dass Erziehung Verantwortung bedeutet – gerade in politisch schwierigen Zeiten.
Konflikt mit den Nationalsozialisten
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten veränderte sich die Atmosphäre im Land und auch an den Schulen. Die NSDAP versuchte, immer stärker Einfluss auf die Jugend zu gewinnen. Für Peter Neuenheuser war klar: Seine Schülerinnen und Schüler sollten nicht einfach zu einer willigen Masse für Propaganda werden.
Im Juli 1935 wurde in Opladen eine Kundgebung mit dem bekannten Hetzredner August Münchmeyer angekündigt. Peter Neuenheuser wusste, dass Münchmeyer heftig gegen die katholische Kirche auftrat. Als Direktor des Aloysianums verbot er deshalb seinen Internatsschülern, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.
Damit stellte er sich offen gegen die Erwartungen des Regimes – und bezahlte dafür einen hohen Preis.
Verfolgung, Zwangsruhestand und letzte Jahre
Nach der Kundgebung kam es zu einem aggressiven Aufmarsch vor dem Aloysianum. Wütende Teilnehmer zogen zum Schulgelände, beschimpften den Direktor als „Volksverräter“, forderten „Aufhängen“ und machten deutlich, dass sie seine Haltung nicht hinnehmen wollten. Uniformierte drangen in das Gebäude ein, seine Wohnung wurde verwüstet, und Peter Neuenheuser wurde noch in derselben Nacht in „Schutzhaft“ genommen.
Sechs Tage blieb er in Haft. Danach wurde er entlassen, durfte aber die Schule zunächst nicht mehr betreten. Die Gestapo belegte ihn mit einem Aufenthaltsverbot für den Regierungsbezirk Düsseldorf. Zusätzlich wurden ihm die Leitung des Aloysianums und die staatliche Lehrerlaubnis entzogen.
Erst nach fast einem Jahr durfte er nach Opladen zurückkehren. Doch der Druck blieb. Als erneut versucht wurde, Schülerinnen und Schüler für eine Propagandaveranstaltung der Hitlerjugend zu vereinnahmen, setzte er sich – unterstützt vom Kölner Kardinal Schulte – wieder dafür ein, dass seine Jugendlichen nicht teilnehmen mussten.
Die Antwort des Regimes war endgültig: Peter Neuenheuser wurde in den Zwangsruhestand geschickt, und das Aloysianum als Gymnasium wurde geschlossen. Damit verlor er nicht nur seine Aufgabe, sondern auch den Ort, an dem er jahrelang gelebt, gearbeitet und gewirkt hatte.
Die Jahre der Überwachung, der verbalen und körperlichen Angriffe, der Isolation und der erzwungenen Untätigkeit hinterließen Spuren. Peter Neuenheuser zog sich zurück, litt unter Depressionen und erlitt mehrere Gehirnschläge. Am 6. Februar 1940 starb er im Alter von 62 Jahren in einem Kölner Krankenhaus. Seine letzte Ruhestätte fand er in Büttgen.
Erinnerung an Peter Neuenheuser
Nach dem Krieg dauerte es einige Zeit, bis sein Name wieder sichtbarer wurde. Doch an verschiedenen Orten wird heute an ihn erinnert.
In Opladen liegt ein Stolperstein, der an sein Wirken als Priester und Direktor und an seine Verfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus erinnert. 1960 benannte die Stadt Leverkusen eine Straße in Opladen nach ihm. So bleibt sein Name im Stadtbild präsent – nicht als Held in großen Lettern, sondern als leiser, aber beständiger Hinweis auf einen Menschen mit Rückgrat.
Diese Zeichen im öffentlichen Raum machen deutlich: Sein Widerstand war nicht umsonst. Er hat Spuren hinterlassen – in den Biografien seiner ehemaligen Schülerinnen und Schüler, in den Erinnerungen vor Ort und in der Art und Weise, wie heute über diese Zeit gesprochen wird.
Was seine Geschichte für die Familie Eschenbeck bedeutet
Für die Familie Eschenbeck ist Peter Neuenheuser nicht nur eine historische Persönlichkeit, sondern ein Verwandter – der Bruder einer Urgroßmutter mütterlicherseits.
Seine Lebensgeschichte zeigt, dass Familiengeschichte mehr ist als eine Abfolge von Daten und Orten. Sie besteht aus Haltungen, Entscheidungen und inneren Kämpfen. Aus Momenten, in denen jemand „Nein“ sagt, obwohl es gefährlich ist. Und aus der Bereitschaft, Verantwortung für andere zu übernehmen.
Im digitalen Familienbaum der Familie Eschenbeck hat Peter Neuenheuser deshalb einen festen Platz. Er steht dort als Priester, als Pädagoge und als jemand, der in einer dunklen Zeit für seine Überzeugungen eingestanden ist – auch wenn er dafür einen hohen persönlichen Preis gezahlt hat.
Indem wir seine Geschichte hier erzählen, bleibt sie ein lebendiger Teil unserer Familiengeschichte. Sie erinnert uns daran, dass Mut oft leise ist, dass Gewissen unbequem sein kann – und dass genau diese Geschichten es wert sind, bewahrt und weitergegeben zu werden.
